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Kaiserreich

miniatur|hochkant=0.7|Die badische Guillotine (Nachbau, Städtisches Museum im Schloss Bruchsal)

Einige deutsche Länder (Bremen, Oldenburg, Sachsen) hatten die Todesstrafe nach der Märzrevolution von 1848/49 abgeschafft. 1870 verabschiedete der Norddeutsche Bund ein allgemeines Strafrecht: Deshalb wurde im Reichstag erstmals über die Todesstrafe debattiert. Vor allem Wilhelm Liebknecht sprach sich gegen sie aus; nach seiner Rede stimmte in zweiter Lesung eine Mehrheit von 118 zu 81 Abgeordneten der Abschaffung zu. Otto von Bismarck erreichte jedoch einen Umschwung, indem er die Einheit der Nation beschwor: Einige deutsche Länder würden dem Strafrechtsentwurf nur zustimmen, wenn die Todesstrafe darin beibehalten werde. Dafür stimmten in dritter Lesung 127 zu 119 Abgeordnete.[1]

Im Reichsstrafgesetzbuch von 1871 war die Todesstrafe daher als Strafe für vollendeten Mord (§ 211) und für Mordversuch an Kaiser oder Landesherrn (§ 80) vorgesehen. Todesurteile fällte eine Laienjury. Ein einmaliges Berufungsverfahren war möglich, danach konnten Verurteilte ein Gnadengesuch an den Kaiser richten. Wilhelm II. ließ jedes Jahr mehrere Todesurteile vollstrecken. Sie wurden von mehreren dutzend Scharfrichtern an verschiedenen Orten im ganzen Reich durch Enthaupten ausgeführt. Dabei waren bis 1877 Zuschauer erlaubt, danach nur noch die vorgeschriebenen Blutzeugen.

Die Gesamtzahl der Hinrichtungen bis 1914 ist aufgrund verlorener Akten unbekannt. Sie geht aber in die Tausende, da schon ein einziger Scharfrichter 123 Urteile vollstreckte. Auch eine hohe Zahl von Fehlurteilen gilt als wahrscheinlich.[2]

Weimarer Republik

Bei der Debatte über die Weimarer Verfassung verfehlten die Gegner der Todesstrafe - SPD, USPD und einzelne Abgeordnete anderer Parteien - die notwendige Mehrheit für ihre Abschaffung. In der Folgezeit wurden politisch motivierte Morde von linksgerichteten Tätern weit öfter mit dem Tod bestraft als von rechtsgerichteten Tätern: Darauf wies unter anderem 1921 der Publizist Emil Julius Gumbel hin. Die Zahl der Hinrichtungen sank fortan stetig und beschränkte sich meist auf die Ahndung spektakulärer Verbrechen wie die der Serienmörder Fritz Haarmann (1925) und Peter Kürten (1931). Ein Antrag der SPD, die Todesstrafe abzuschaffen, scheiterte im November 1927 im Ausschuss für Strafrechtsreform des Reichstages.

Zeit des Nationalsozialismus

Kurz nach Beginn ihrer Regierungszeit erließen die Nationalsozialisten am 29. März 1933 das „Gesetz über Verhängung und Vollzug der Todesstrafe“. Es sah vor, dass die „Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat“ vom 28. Februar 1933 auch rückwirkend für Taten gelten sollte, die in der Zeit zwischen dem 31. Januar und dem 28. Februar 1933 begangen worden waren. Großes Aufsehen erregte daher die Hinrichtung des angeblichen Reichstagsbrandstifters Marinus van der Lubbe auf Basis dieses Gesetzes am 10. Januar 1934: Da auf Brandstiftung zum Tatzeitpunkt noch gar nicht die Todesstrafe stand, die man nur für seinen Fall rückwirkend eingeführt hatte, verstieß das Urteil gegen den Rechtsgrundsatz nulla poena sine lege (lat.: „keine Strafe ohne Gesetz“). Das Gesetz wird aus diesem Grund auch oft als Lex van der Lubbe bezeichnet. Der Reichskommissar für Justiz Hans Frank stellte auf dem Reichsparteitag im September 1934 den „rücksichtslosen Vollzug der Todesstrafe“ als besondere Errungenschaft des NS-Rechtssystems dar.

In der Folgezeit wurde durch zahlreiche Verordnungen, unter anderem die Verordnung gegen Volksschädlinge vom 5. September 1939, die Zahl der mit der Todesstrafe zu ahndenden Straftaten immer weiter erhöht. 1941 wurde im Strafgesetzbuch die „Reinigungstodesstrafe“ für „gefährliche Gewohnheitsverbrecher“ und „Sittlichkeitsverbrecher“ eingeführt.[3] Nach dem Gesetzeswortlaut war für deren Verhängung alternativ der Schutz der Volksgemeinschaft oder das Bedürfnis nach gerechter Sühne ausreichend. In der zeitgenössischen Rechtsprechung und Literatur wurde diese Regelung dahingehend verstanden, dass neben die Strafzwecke Vergeltung und Prävention nun zusätzlich auch die „Minderwertigkeit“ des Täters für die Verhängung der Todesstrafe ausreichte. Der anerkannte Strafrechtler Georg Dahm begründete dies mit einem „sittlichen und biologischen Reinigungsbedürfnis der Gemeinschaft“.[4] Vom 28. Februar 1933 bis zum 16. April 1945 wurde die Todesstrafe – über den Mordtatbestand hinaus – für 46 weitere Straftatbestände als Regelstrafe eingeführt, die als juristisches Mittel zur Herrschaftssicherung dienten. Eine detaillierte Aufzählung enthält das Begleitheft des Niedersächsischen Justizministeriums von 2001 zur Wanderausstellung „Justiz im Nationalsozialismus“ über insgesamt 77 neu eingeführte Todesstrafen. Ab 1944 konnte die Todesstrafe darüber hinaus für jedes beliebige Delikt verhängt werden, als Maßstab galt nur noch das „gesunde Volksempfinden“. Bezeichnend ist ein Zitat Adolf Hitlers von 1942: Nach 10 Jahren Zuchthaus ist der Mensch sowieso für die Volksgemeinschaft verloren. Solchen Kerl steckt man entweder in ein Konzentrationslager oder tötet ihn. In letzter Zeit ist das letztere wichtiger, um der Abschreckung willen.[5]

Nach der amtlichen Statistik wurden zwischen 1933 und 1945 16.560 Todesurteile gefällt, davon wurden etwa 12.000 vollstreckt. 664 Todesurteile erfolgten vor Kriegsbeginn, 15.896 während des Zweiten Weltkriegs. Allein der Volksgerichtshof verhängte 5.243 Todesurteile. Außerdem wurden zusätzlich etwa 20.000 Todesurteile von Kriegsgerichten ausgesprochen. Der Rechtshistoriker Ingo Müller schätzte 1989 die Zahl der während des 2. Weltkriegs von der NS-Kriegsgerichtsbarkeit verhängten Todesurteile auf 33.000, von denen 89 % auch vollstreckt worden seien. Demgegenüber wurden im Ersten Weltkrieg im Kaiserreich nur 150 Todesurteile gefällt, von denen 48 vollstreckt wurden.

Hitler machte in Mein Kampf diese nach seiner Ansicht zu milde Militärgerichtsbarkeit des Kaiserreichs für die Niederlage im 1. Weltkrieg verantwortlich: Dass man im Kriege aber praktisch die Todesstrafe ausschaltete, die Kriegsartikel also in Wirklichkeit außer Kurs setzte, hat sich entsetzlich gerächt.[6]

Die meisten Urteile wurden durch das Fallbeil vollstreckt. Aber auch Erhängen war üblich, insbesondere bei Landesverrat und bei Massenhinrichtungen. Nach dem gescheiterten Attentat auf Hitler vom 20. Juli 1944 wurden viele Todesurteile ausgesprochen und auf besonders grausame Weise durch Erhängen an Fleischerhaken mit Schlingen aus Klaviersaiten vollstreckt. Dies geschah auf Befehl Hitlers, der die Exekutionen auch filmen und fotografieren ließ. Bis zu 142 Hinrichtungen pro Tag fanden im Strafgefängnis Plötzensee statt. Der bekannteste und meistbeschäftigte Scharfrichter im Dritten Reich war Johann Reichhart.

Mit einer Entschließung vom 25. Januar 1985 stellte der Deutsche Bundestag fest, dass der Volksgerichtshof ein Terrorinstrument zur Durchsetzung der nationalsozialistischen Willkürherrschaft gewesen sei und seinen Entscheidungen daher nach Überzeugung des Deutschen Bundestages keine Rechtswirksamkeit zukomme.[7] Mit dem Gesetz zur Aufhebung nationalsozialistischer Unrechtsurteile in der Strafrechtspflege vom 25. August 1998 wurden die Urteile des Volksgerichtshofs und der Standgerichte auch formell aufgehoben (siehe Aufhebung von NS-Unrechtsurteilen).

Sowjetische Besatzungszone und DDR

In der SBZ gab es von 1945 bis zur Gründung der DDR 1949 121 Todesurteile durch deutsche Behörden, von denen 47 vollstreckt wurden. In einem Fall ist die Vollstreckung noch nicht geklärt. Wie viele Todesurteile die sowjetische Besatzungsmacht in den 1940er und 1950er Jahren fällte und durch Erschießen vollstreckte, ist unbekannt. Man schätzt, dass es einige Hundert Fälle waren. Von 1947 bis Januar 1950 war die Todesstrafe in der UdSSR jedoch abgeschafft, so dass in diesen Jahren erlassene Todesurteile auch in der SBZ in lebenslängliche oder 25-jährige Haft umgewandelt wurden.

Seit 1949 gab es in der DDR 227 rechtskräftige Todesurteile, davon wurden 166 vollstreckt.[8] Sie konnten bei Mord und Kriegsverbrechen, aber auch bei Spionage, Sabotage und etwa 15 weiteren Delikten verhängt werden. Sie wurden zunächst durch Enthauptung mit der Guillotine, ab 1966 durch einen „unerwarteten Nahschuss“ in das Genick vollstreckt.

Bis 1960 fanden die Hinrichtungen zum überwiegenden Teil in Dresden, aber auch im Zuchthaus Brandenburg und in Frankfurt (Oder) statt. Das Dresdner Fallbeil war im Dritten Reich im Innenhof des Landgerichts am Münchner Platz zum Einsatz gekommen, dann kurz vor Kriegsende in einem vollgelaufenen Steinbruch in der Nähe von Kamenz in der Westlausitz versenkt, nach Kriegsende geborgen und wieder hergerichtet worden. Bis 1956 wurden dort Hinrichtungen vorgenommen, ab 1957 übernahm die TU Dresden das Gebäude. Heute steht dort eine Gedenkstätte, die auf die Hinrichtungen hinweist. Seit 1960 fanden alle Hinrichtungen zentral in Leipzig im Gefängnis in der Alfred-Kästner-Straße statt.

Ab 1970 wurde die Todesstrafe nur noch selten verhängt, und zwar fast ausschließlich in Spionagefällen. Das letzte Todesurteil wurde am 26. Juni 1981 am MfS-Offizier Dr. Werner Teske vollstreckt,[9] die letzte zivile Todesstrafe an dem Kindermörder Erwin Hagedorn aus Eberswalde am 15. September 1972.

Am 17. Juli 1987 verkündete der Staatsrat der DDR die rechtliche Abschaffung der Todesstrafe im Rahmen einer umfassenden Amnestie, u. a. für Wirtschaftskriminalität und Republikflucht. Im Dezember verabschiedete die Volkskammer ein Gesetz dazu. Diese Maßnahmen entsprachen westlichen Forderungen und hingen mit dem damaligen Staatsbesuch von Erich Honecker in Bonn zusammen.

Auffällig ist die strikte Geheimhaltung aller Hinrichtungen von 1949 bis zum Ende der DDR 1990. Selbst bei offen verkündeten Todesurteilen in Schauprozessen wurde die Vollstreckung stets vollständig geheim gehalten. Selbst in den Totenscheinen der Hingerichteten erschien als Todesursache meist nur „Herzversagen“. Zahl und Art der Hinrichtungen wurden erst nach der Wende in der DDR bekannt.

Westalliierte Besatzungszonen

Zwischen 1945 und 1951 wurden die letzten Todesstrafen im Gebiet der späteren Bundesrepublik Deutschland vollstreckt, meist im Rahmen der Nürnberger Prozesse gegen ehemalige Größen des nationalsozialistischen Regimes wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit (Holocaust). Außerdem gab es mehrere Todesurteile und Hinrichtungen anderer Straftäter. In Gefängnissen der US-Armee auf westdeutschem Boden wurden bis 1951 806 Personen zum Tod verurteilt; etwa 300 davon wurden hingerichtet, davon 284 im Kriegsverbrechergefängnis Landsberg.

Die Länder Baden, Bayern, Bremen und Hessen gaben sich 1946/47 noch vor dem Grundgesetz eigene Verfassungen. Sie ließen die Todesstrafe noch zu, verhängten sie aber bis 1949 nicht mehr. Rheinland-Pfalz verhängte noch Todesurteile, die aber nicht mehr vollstreckt wurden: Die neu erbaute Guillotine wurde erst am 11. Mai 1949 einsatzbereit gemeldet. Drei Tage zuvor hatte der Parlamentarische Rat das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland verabschiedet.

Als Letzten haben deutsche Behörden in Westdeutschland den 28-jährigen Mörder Richard Schuh am 18. Februar 1949 in Tübingen hingerichtet, nachdem der damalige Staatspräsident von Württemberg-Hohenzollern, Gebhard Müller, eine Begnadigung abgelehnt hatte.

West-Berlin war wegen des Vier-Mächte-Status bis 1990 nicht in den Geltungsbereich des Grundgesetzes einbezogen. Dort trat das „Gesetz zur Abschaffung der Todesstrafe“ am 20. Januar 1951 in Kraft. In Berlin wurde zuletzt am 12. Mai 1949 der 24-jährige Raubmörder Berthold Wehmeyer durch das Fallbeil hingerichtet. Das Besatzungsstatut sah in West-Berlin für „strafbare Handlungen gegen die Interessen der Besatzungsmächte“ weiterhin die Todesstrafe als Höchststrafe vor. Davon wurde aber nie Gebrauch gemacht.

Bundesrepublik

Bei Beratungen zum Grundgesetz im Parlamentarischen Rat schlug Hans-Christoph Seebohm, Vertreter der rechtsgerichteten Deutschen Partei, am 6. Dezember 1948 überraschend ein Verbot der Todesstrafe vor. Er wollte damit auch Todesurteile für NS-Kriegsverbrecher aussetzen lassen.[10] Abgeordnete der SPD und CDU schlossen sich dem Antrag an. Friedrich Wilhelm Wagner (SPD) beantragte erfolgreich, die Abschaffung der Todesstrafe in das Grundgesetz aufzunehmen.

Dieses trat mit der Gründung der Bundesrepublik 1949 als übergeordnetes Bundesrecht in Kraft. Artikel 102 lautet schlicht: Die Todesstrafe ist abgeschafft. Fortan durfte sie in der Bundesrepublik weder angeordnet noch vollstreckt werden. Direkt danach suchten Konrad Adenauer (CDU) und Kurt Schumacher (SPD) den Hohen Kommissar für Deutschland auf und protestierten mit Hinweis auf die neue bundesdeutsche Rechtslage gegen die Hinrichtung von zum Tod verurteilten Kriegsverbrechern. John J. McCloy setzte daraufhin einige anstehende Hinrichtungen aus. Dennoch wurden in der Justizvollzugsanstalt Landsberg am 7. Juni 1951 letztmals sieben deutsche Kriegsverbrecher gehängt.

Im Strafgesetzbuch blieb die Todesstrafe etwa für Mord bis 1953 vorgesehen und wurde erst mit dem Dritten Strafrechtsänderungsgesetz (BGBl. I S. 735) jeweils durch lebenslange Zuchthausstrafe ersetzt. Einzelne Landesverfassungen ließen die Todesstrafe theoretisch noch zu: Nach Art. 47, Abs. 4 der Bayerischen Verfassung musste die Staatsregierung deren Vollzug bestätigen.[11] Erst nach einem Volksentscheid vom 8. Februar 1998 wurde dieser Passus gestrichen. Auch in der Verfassung des Saarlands, das der Bundesrepublik 1957 beitrat, stand bis 1956 eine ähnliche Vorschrift.[12] In Art. 21, Abs. 1 der Verfassung des Landes Hessen ist bis heute die gegenstandslose Einschränkung enthalten, dass ein richterliches Todesurteil nur auf Grund eines Strafgesetzes und nur bei besonders schweren Verbrechen erlaubt sei.[13]

Am 27. März 1950 befasste sich der Bundestag mit einem ersten Gesetzentwurf zur Wiedereinführung der Todesstrafe, den Hermann Etzel für die rechtskonservative Bayernpartei wie folgt begründete:[14] Template:Zitat Gemeint waren am Holocaust beteiligte Nationalsozialisten, deren Verbrechen mit dem Tod vergolten werden sollten. Dafür fand sich damals weder eine einfache noch die erforderliche verfassungsändernde Zweidrittelmehrheit.

1952 beantragte die damals an der Regierung beteiligte Deutsche Partei erneut die Wiedereinführung der Todesstrafe. Auch Bundeskanzler Adenauer und der spätere Justizminister Richard Jaeger (CSU) plädierten in einzelnen Wahlkampfreden dafür. FDP-Justizminister Thomas Dehler sprach das Hauptargument der Gegner aus:[14] Template:Zitat Nach Meinungsumfragen von 1960 befürworteten über 70 Prozent der Bevölkerung die Todesstrafe für Schwerverbrecher. Auch für die Verbrechen der RAF in den 1970er Jahren forderten erhebliche Teile der Bevölkerung ihre Wiedereinführung. Diese wurde im Bundestag aber nie wieder thematisiert. Sie wäre wegen der uneingeschränkten Abschaffung nach Art. 102 GG verfassungswidrig.

Das deutsche Strafrecht unterscheidet den Begriff „Strafe“ als „Repressalie“ bzw. „Übelzufügung“ streng von einer „Maßregel“ zur Sicherung der Gesellschaft, mit der die Tötung von Verbrechern meist begründet wird. Daher wurde der Geltungsbereich von Art. 102 verfassungsrechtlich diskutiert. Er schließt nach herrschender Auffassung auch alle als Reaktionen auf Delikte und alle präventiv begründeten staatlichen Tötungen aus. Umstritten blieb, ob er in Verbindung mit Art. 2, Abs. 2 (Recht auf Leben) alle planmäßigen Tötungen namentlich bekannter Personen durch Staatsorgane ausschließt.[15]

Rechtswissenschaftler diskutieren auch, ob Art. 102 gemäß Art. 79 GG mit einer Zweidrittelmehrheit in Bundestag und Bundesrat geändert oder gestrichen werden könnte. Nach herrschender Meinung würde die Todesstrafe in jedem Fall die unantastbare Menschenwürde verletzen, also gegen Art. 1 Abs. 1 GG verstoßen. Da dieser durch die Ewigkeitsklausel gegen Änderungen geschützt ist, sei Art. 102 GG streng genommen überflüssig und habe nur klarstellende Funktion.[16] - Einige Verfassungsrechtler bestreiten, dass die Todesstrafe immer und ausnahmslos mit der Menschenwürde unvereinbar sei. Das lasse sich rechtshistorisch und zukünftig nicht belegen. Der Verfassungsgeber habe daher darauf verzichtet, Art. 102 ausdrücklich an der Ewigkeitsgarantie teilhaben zu lassen, so dass dieser Artikel unter den nach Art. 79 Abs. 3 unveränderlichen Grundrechten nicht genannt werde. Es blieben also Kapitalverbrechen denkbar, für die ausnahmsweise die Todesstrafe angedroht werden könne. Art. 102 würde dann als übergeordnetes Recht in Kraft bleiben, um den Ausnahmecharakter dieser Androhung zu gewährleisten.[17]

  1. ^ Karl Bruno Leder: Todesstrafe. Ursprung, Geschichte, Opfer. dtv, München 1986, S. 243
  2. ^ Stefan Appelius (Der Spiegel, Januar 2010): Todesstrafe in Deutschland: Zum Henker mit ihm!
  3. ^ § 1 des Gesetzes zur Änderung des Reichsstrafgesetzbuchs vom 4. September 1941
  4. ^ Georg Dahm, Sühne, Schutz und Reinigung im neuen deutschen Strafrecht, in: Deutsches Recht 1944, S. 3.
  5. ^ zitiert nach: Richard J. Evans, Rituale der Vergeltung, Berlin 2001, S. 828.
  6. ^ Adolf Hitler: Mein Kampf, München 1940, S. 588
  7. ^ Vgl. BT-Drs. 10/2368, S. 2
  8. ^ Hans Michael Kloth: Der Henker kam von hinten. In: Der Spiegel vom 13. Juli 2007.
  9. ^ MDR Figaro: Vor 25 Jahren, letzte Hinrichtung in der DDR
  10. ^ Charles Lane (The Washington Post, 4. Juni 2005): The Paradoxes of a Death Penalty Stance
  11. ^ Bayerische Verfassung Art. 47, Abs. 4
  12. ^ Artikel 95 Abs. 1 Saarländische Landesverfassung Art. 95 Abs. 1
  13. ^ Hessische Verfassung Paragraf 21
  14. ^ 14.0 14.1 WDR.de, 27. März 2005: Vor 55 Jahren: Bundestag diskutiert über Wiedereinführung der Todesstrafe. Wieder köpfen und hängen?
  15. ^ Roman Herzog: Todesstrafe I. Rechtlich B. Verfassungsrechtlich, in: Evangelisches Staatslexikon Band 2, Stuttgart 1987, Sp. 3614
  16. ^ BGH NJW 1996, 858, Jarass/Pieroth Art. 102 Rdnr. 1
  17. ^ Roman Herzog: Todesstrafe I. Rechtlich B. Verfassungsrechtlich, in: Evangelisches Staatslexikon Band 2, Stuttgart 1987, Sp. 3615